"Ohne die Bahn hätte sich die Wallfahrt niemals so entwickeln
können, wie sie es tat", sagt Dorothé Flemming-Lühr, Kevelaers
Archivarin. Und auch die Stadt selbst würde heute anders ausehen, wenn
nicht zu Beginn der 1860-er Jahre Schienen verlegt worden wären. Vor genau
150 Jahren, im März 1863, wurde die Bahnstrecke Krefeld-Kleve
eröffnet und schloss damit auch Kevelaer an die Welt an. Während das
Jubiläum in Goch mit einer großen Ausstellung in der ehemaligen
Liebfrauenkirche und einer 200-seitigen Abhandlung gewürdigt wird, scheint
es in Kevelaer unbemerkt geblieben zu sein.
Dabei ist der "Metallweg" für die Stadtentwicklung ganz
wesentlich. Während es in Goch die Industrie war, die durch die Schiene
ganz erheblich Fahrt aufnahm, konnte sich in der Marienstadt erst durch die
Bahn das Pilgerwesen so richtig entwickeln. Viele Jahrzehnte kam der
Großteil der Marienverehrer mit Sonderzügen aus vielen Teilen
Deutschlands. Flemming-Lühr: "Auch das Siedlungswesen wurde erheblich
beeinflusst. Die Bahnstraße zum Beispiel oder die
Basilikastraße wurden erst nach 1860 dicht bebaut. Vorher standen
dort nur vereinzelte Häuser."
Bis der "Halt Kevelaer" mit einem eigenen Bahnhofsgebäude
mehr hermachte, verging noch eine Weile. Der Schwerpunkt wurde zunächst
auf die Schienen und die Bahnsteige gelegt. Die mussten vor allem lang sein, um
Tausende von Pilgern aussteigen zu lassen, die während der Saison in die
Marienstadt strömten. Mehrere Regionalbahnen fahren Kevelaer an, diverse
Gleise laufen parallel. 1892 stellt der Bischof von Münster fest, dass
Kevelaer nach Lourdes Europas meistbesuchter Marienwallfahrtsort ist.
Nach Lourdes fahren die Züge übrigens auch und
noch bis heute. Die Krankenbruderschaft Rhein-Maas mit Sitz in Goch nutzt dazu
einen Sonderzug, der ab Emmerich via Münster Richtung Frankreich
fährt. Kevelaers Bahnhof sieht auch ohne Lourdes genügend Pilger: 400
000 von ihnen sollen Ende des 19. Jahrhunderts jährlich mit der Bahn
angereist sein.
In einigen Jahren waren es mehr als 500 Sonderzüge, die
Kevelaer pro Jahr erreichten. Das Bahnhofsgebäude wird ausgebaut, der
Bahnsteig überdacht, eine Pilgerhalle nimmt ab 1914 die Menschen auf.
Während der Jahre des Nationalsozialismus stellt die Reichsbahn keine
Sonderzüge mehr bereit Reisen im Zeichen des Kreuzes sind
unerwünscht. Während der Kapellenplatz von Bomben weitgehend
verschont bleibt, ist der Bahnhof mehrfach Ziel von Luftangriffen; seine
Gebäude werden zerstört. 1953 ist der neue Bahnhof, der im
wesentlichen noch der heutige ist, fertig.
Quelle: RP/rl |