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Die "Schluffenschuster" in Kleve |
Am Anfang stand der sogenannte Schluffenschuster am Ende
die hochtechnisierte Schuhfabrikation als größter Arbeitgeber in
Kleve. Die Herstellung von Leichtschuhen (Schluffen) in Heimarbeit und deren
Vertrieb durch Hausierer waren der Beginn einer sich steigernden Entwicklung
bis hin zur Industrialisierung. Armut, Alkohol und harte Arbeit all
das prägte den Alltag der Klever Schuster. Unabhängig davon, ob der
Schluffenschuster mit seiner Familie und seinen Gesellen das
Handwerk in seiner Wohnung betrieb oder später als Fabrikarbeiter.
Billiger Alkohol (besonders Bier und Korn) war in den Jahren vor 1900 ein
ständiger Begleiter. Das alltägliche Leben war nach Berichten der
damaligen Zeit so ärmlich, dass die Schuster keine Steuern zahlen mussten,
weil sie kein entsprechendes Einkommen vorweisen konnten. Damit waren sie auch
von bestimmten bürgerlichen Rechten ausgeschlossen. Um 1848 wird
beschrieben, dass dies ein Problem besonders der Handwerker war, da es in Kleve
keine Industriearbeiter gab, sondern nur ein Proletariat von Arbeitslosen, die
nicht wählen durften. Die Schüsterkes in Kleve haben
den Montag häufig genutzt, um sich zu betrinken und den Rausch besonders
im Tiergarten auszuleben und das zum Entsetzen der dort spazierenden
sogenannten Bürgerschaft und der Badegäste, die hierfür wenig
Verständnis zeigten. |
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Utensilien einer Schusterwerkstatt |
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Die Klever Schuhindustrie |
Kleve - die Stadt der Schüsterkes. Diese
Aussage galt für einen Zeitraum von gut einem Jahrhundert. Die
Anfänge gehen zurück auf das zu Ende gehende 19. Jahrhundert.
Vorreiter für die aus handwerklichen Ansätzen schließlich
einsetzende Schuhindustrie waren die sogenannten Schluffenschuster,
deren Entwicklung und Bedeutung schon an anderer Stelle dieses Beitrages
angesprochen wurden. Nur kurz zur Wiederholung: Die
Schluffenschuster stellten in Heimarbeit bequeme Hausschuhe her
meist in bescheidenen Unterkünften, die zugleich Wohnung und
Werkstatt waren. |
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Gegen Ende des 19. Jahrhunderts erfolgte nicht zuletzt auf
Grund neuer technischer Entwicklungen (Stichwort: Pariser Weltausstellung von
1889) ein Schub in Richtung maschineller Fertigung von Waren. Wobei diese
Entwicklung mitverantwortlich war für die Entwicklung der Klever
Schuhindustrie. Aus relativ bescheidenen Anfängen sollte sich Kleve
(damals noch Cleve geschrieben) zum Zentrum der Herstellung von Kinderschuhen
auf dem europäischen Kontinent entwickeln.
Isaac Merritt Singer stellte auf der Weltausstellung in Paris
die ersten Nähmaschinen vor. Er war der jüngste Sohn und das achte
Kind von Adam Singer und Ruth Benson. Sein Vater stammte aus einer
jüdischen Familie, die in Sachsen/Deutschland ansässig war. In
Deutschland hieß die Familie noch Reisinger. Im Jahre 1769 wanderte der
16-jährige Adam Reisinger in die USA aus und heiratete 1788 Isaac's
Mutter, Ruth Benson. |
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Der Herstellung von Kinderschuhen war in der Vergangenheit
keine Beachtung geschenkt worden. Es gab keine Unterscheidung zwischen linkem
und rechtem Fuß. Was oftmals zu Verkrüppelungen bei
Kinderfüßen führte. Diese Erkenntnis (und es zu ändern)
ist das Verdienst von Gustav Hoffmann und seines Schwagers Fritz
Pannier. Die Idee von Gustav Hoffmann und seines Schwagers bestand darin,
das Gewerbe zu revolutionieren. Was ihnen auch gelang. Erst noch bessere
Qualität unter Verwendung noch fußgerechterer Formen und dann erst
Vergrößerung des Betriebs, so lautete das Motto von Fritz
Pannier. Eine Fabrik, die ausschließlich Kinderschuhe herstellte, war in
der damaligen Zeit Neuland. Bis dahin waren Kinderschuhe nicht mehr als ein
Nebenprodukt der Schuhherstellung für Erwachsene. |
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Produktangebot der Firma Pannier & Hoffmann, Cleve |
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Hoffmann und Pannier, die zunächst eine gemeinsame Firma
betrieben, trennten sich im Jahre 1908 (wohl einvernehmlich) mit der
Maßgabe, sich nicht ins Gehege zu kommen. Hoffmann war fortan
für die Fertigung von Kinderschuhen bis zur Größe 26, Pannier
für die Schuhgrößen darüber hinaus verantwortlich.
Insbesondere die Firma Gustav Hoffmann entwickelte sich stetig weiter, bis hin
zur größten Kinderschuhfabrik des Kontinents. Allerdings nicht ohne
Rückschläge. Je nach den Zeitverhältnissen, bedingt durch die
Konjunkturschwankungen infolge der beiden Weltkriege und den
Nachkriegsschwankungen, traten in den Entwicklungen der Klever Schuhindustrie
(auch bei Hoffmann) Stockungen und Rückschläge ein. Der 2. Weltkrieg
setzte eine entscheidende Marke. Durch die weitestgehende Zerstörung
Kleves war (natürlich auch) die Klever Schuhindustrie betroffen. Deren
Produktionsstätten wurden durch die Alliierten im Oktober 1944 fast ganz
in Schutt und Asche gelegt. |
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Die eigenständige Schuhfabrik des aus Berlin stammenden
Fritz Pannier |
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Die Schuhindustrie in Kleve und seiner näheren Umgebung
bestand nicht nur aus den Fabriken Hoffmann und Pannier. Sie waren allerdings
die bedeutendsten und verhalfen Kleve zur überragenden Bedeutung, was die
Fertigung von Kinderschuhen betraf. Daneben aber gab es viele andere
Schuhfabriken,
geschätzt etwa 40 bis 45 im Laufe vieler Jahrzehnte. Nachfolgende Zahlen
sind Ausdruck dafür, welche enorme Bedeutung die Schuhindustrie für
Kleve hatte. Wenn man bedenkt, dass Kleve im Jahre 1910 etwa 18.000, im
Jahre 1939 ungefähr 22.000 und im Jahre 1968 ca. 23.000 Einwohner hatte.
Erst im Jahre 1969 erhöhte sich Kleves Einwohnerzahl bedingt durch
die kommunale Neugliederung auf etwa 45.000 Einwohner. Die Relationen
zwischen den Einwohnerzahlen Kleves und den Beschäftigtenzahlen in der
Schuhindustrie machen deutlich, wie viele Menschen resp. Familien von der
Beschäftigung in der Schuhindustrie abhingen.
1902 gab es 9 Betriebe mit 650 Arbeitskräften 1913 waren
es 15 Betriebe mit 1.500 Arbeitskräften 1926 waren es 20 Betriebe mit
3.000 Arbeitskräften 1938 waren es 30 Betriebe mit 3.000
Arbeitskräften 1954 waren es 28 Betriebe mit 4.600
Arbeitskräften. |
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Pannier-Storch |
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Die vorstehenden Zahlen sind zum Teil geschätzt. Die
Größe der Betriebe reichte von kleinen Betrieben mit 10-20
Arbeitskräften bis hin zu einem Großbetrieb mit fast 3.000
Beschäftigten. Einige Firmen bestanden nur relativ kurze Zeit, andere
waren über viele Jahrzehnte am Markt tätig. |
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Der 2. Weltkrieg in Kleve |
Nach dem Ende des 2. Weltkrieges galt es, die zerstörten
Produktionsstätten wieder aufzubauen. Mit dem ungeheuren Willen und der
Tatkraft der Menschen, die gerade erst einen der schrecklichsten Kriege
überlebt hatten, gelang dies in erstaunlich kurzer Zeit. |
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Anfang der 1950-er Jahre waren bereits wieder ungefähr
3.000 Menschen in den verschiedenen Klever Schuhfabriken, 1954 gar etwa 4.600
Menschen dort beschäftigt. Die Klever Schuhindustrie boomte. Jedes dritte
Kind in Deutschland lief damals mit Schuhen aus niederrheinischer Fertigung.
Die Firmen Pannier und Hoffmann hatten je ein Markenzeichen für ihre
Schuhe. Die Firma Pannier einen Storch, der heute noch als (goldener) Storch
auf dem noch vorhandenen Schornstein der früheren Fabrikhallen thront und
die Erinnerung an die ruhmreichen Zeiten der Firma Pannier aufrecht
erhält. Markenzeichen der Firma Gustav Hoffmann und Synonym für
Kinderschuhe aus Kleve war der Elefant. |
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Der Niedergang |
Den glänzenden Jahren sollten schon bald schlechtere
folgen. Der sogenannte Pillenknick der 70-er Jahre des letzten
Jahrhunderts, später als demographischer Wandel bezeichnet,
bereitete der Klever Schuhindustrie mehr und mehr Probleme. Innerhalb weniger
Jahre änderte sich das Umfeld für die Kinderschuhe aus Kleve
dramatisch. Als Folge des Pillenknicks brach die Hälfte des Marktes weg.
Viele Schuhfirmen mussten schließen, so auch die einstmals so bedeutende
Firma Pannier. Hoffmann blieb, wenn auch mit Problemen. Ende 2001 fügte
sich das Traditionsunternehmen Hoffmann den Zwängen des Marktes. Die
Entscheidung, die Herstellung in Kleve aufzugeben, bedeutete das Ende der
industriellen Kinderschuhherstellung in Kleve. Am 30. Juli 2004 erfolgte die
Schließung des Unternehmens durch den neuen Eigentümer, die
britische Unternehmensgruppe C & J Clark Ltd. |
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Mit diesem Datum endet die erfolgreiche und glorreiche Zeit
Kleves als Stadt der Schüsterkes. Was bleibt? Die Erinnerung
an Kleves große Zeit als europäisches Zentrum der Herstellung von
Kinderschuhen. Heute gibt es in Kleve noch einen einzigen Schuhhersteller,
Norbert Leenders. Der eine Marktnische entdeckt und sich auf die Fertigung von
Karnevalsschuhen/-stiefeln fokussiert hat. Norbert Leenders hat seine
Ausbildung übrigens noch bei Hoffmann absolviert
Vier Zeugen erinnern heute noch an Kleves
große Zeit der Schuhindustrie:
- Das Schüsterken (Spuckmänneken)
am Spoykanal
- Die Skulptur am EOC-Gelände (ehemalige
Hoffmann-Produktionsstätten)
- Der 60 Meter hohe Schornstein am EOC-Gelände
- Der Schornstein (mitsamt Storch) auf dem Gelände
der ehemaligen Produktionsstätten der Firma Pannier.
Nicht unerwähnt bleiben darf das seit einigen Jahren
bestehende
Klever
SchuhMuseum mit seinen sehr engagierten ehrenamtlichen Mitarbeitern, das
vom Verein Kleefse Schüsterkes e.V. eingerichtet wurde und
betrieben wird.
Adresse: Siegertstraße 3 47533
Kleve. Öffnungszeiten: Samstag und Sonntag: 14:00 bis 17:00 Uhr
Im Klever SchuhMuseum ist die Klever Schuhgeschichte mit
zahlreichen Dokumenten und Exponaten dargestellt. In Führungen wird diese
den Besuchern vermittelt. |
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