Galgenbaum
Der im Jahr 1618 ausgebrochene Dreißigjährige Krieg war anfangs ein Bruderkrieg zwischen Rudolf und Mathias von Habsburg um den böhmischen Königstitel. Bald aber wurde die Religion herangezogen, um Reserven zu mobilisieren. So eskalierte dieser Streit zu dem großen Krieg, bei dem zwei Drittel der Bevölkerung des deutschsprachigen Raumes durch Feldschlachten und Mord, Hunger und Seuchen den Tod fanden.
Am Niederrhein war der Dreißigjährige Krieg die unmittelbare Fortsetzung des holländisch-spanischen Krieges, der 1621, nach dem zwölfjährigen Waffenstillstand, mit gleicher Härte fortgesetzt wurde. Von den 60.000 Mann, mit denen die Spanier den lange vorbereiteten Angriffskrieg gegen die Niederlande wieder aufnahmen, lagen zwei Drittel im Gebiet zwischen Maas und Rhein. In dieser Phase fällt auch der unvollendet gebliebene Bau des Kanals "Fossa Eugeniania" mit dem die Spanier versuchten die Niederländer vom Handel abzuschneiden.
Aber darüber hinaus war das Land am Niederrhein jetzt der Nebenschauplatz eines noch größeren Krieges geworden, zum Tummelplatz der Pfälzer und Brandenburger, der Spanier und Niederländer, der Kaiserlichen und Franzosen, der Schweden, der Hessen und Bayern, unterstützt von Italienern und Kroaten.
Dabei zeichneten nicht große Schlachten den Fortgang des Krieges in dieser Region aus, sondern das ununterbrochene Hin- und Herziehen der Heere, ihr gewaltsame Selbstversorgung aus dem Land, gleichgültig, ob sie als Beschützer oder Eroberer kamen. Truppen aus aller Herren Länder lagen Monate und Jahre hindurch bei den bedauernswerten Einwohnern im Quartier, trieben rücksichtslos Kontribution über Kontribution ein, plünderten und mordeten.
1635 verwüsteten Kaiserliche Truppen des Generals Piccolomini mit kroatischen Söldnern die jülich-bergischen und klevischen Ländern. Beim Durchzug der Kroaten durch Kevelaer im August 1635 wurden hundert geängstigte Menschen niedergemetzelt.
Hessische Truppen unter Hauptmann Feldtfenger plünderten 1641 Schloss Wissen.
Seit 1633 kämpften die Holländer um die Wiedereroberung der Festung Schenkenschanz, die durch ihre Lage an der Gabelung von Rhein und Waal für die Generalstaaten eine unersetzliche Schlüsselstellung einnahm. Unter den langen Anstrengungen der Holländer, die erst im Jahre 1636 nach drei Jahren zum Erfolg führten und viel fremdes Kriegsvolk anzog, hatte besonders die Stadt Kleve und ihre Umgebung zu leiden. In den Laufgräben vor Schenkenschanz war es übrigens, wo der junge Kurprinz Friedrich-Wilhelm von Brandenburg, der spätere "Große Kurfürst", den die Belagerung der Festung leitenden Prinzen Moritz von Nassau-Siegen kennen lernte, den er später zum Statthalter in den klevischen Landen machen sollte.
Der Not des Dreißigjährigen Krieges verdankt auch die Wallfahrt nach Kevelaer ihren Ursprung. Von Soldaten einer spanischen Kompanie erhielten der Hausierer Hendrik Busman und seine Frau Mechel 1642 den unscheinbaren Kupferstich mit dem Bild "Unserer Lieben Frau von Luxemburg", für den sie, nach einer dreimaligen Vision, ein Heiligenhäuschen auf der Kevelaerer Heide stifteten. Schon bald kam eine große Zahl von Menschen hierher, um das Gnadenbild aufzusuchen. Im darauffolgenden Jahr wurde dort die erste Wallfahrtskirche - die heutige "Kerzenkapelle" - errichtet. Heute ist Kevelaer mit 600.000 Pilgern jährlich einer der fünf größten Marienwallfahrtsorte der Welt.
Im brandenburgischen Herzogtum Kleve übten, fast schlimmer als zuvor, die Spanier und die Kaiserlichen die Protestantenverfolgung. Im Gegenzug bedrängten die Holländer die Katholiken. Alle zusammen plünderten das Land aus, das gegen Ende des Dreißigjährigen Krieges zu den meistverwüsteten Gegenden Deutschlands gehörte. Erzählungen vom einstigen Glanz der Residenzstadt, vom Wohlstand, ja Reichtum der klevischen Städte und Dörfer, von Sicherheit und Ordnung im Land klangen wie eine Sage, an die niemand mehr glaubte.
1643, beim Einzug eines brandenburgischen Korps, glich die zuvor durch kaiserliche Regimenter gebrandschatzte Stadt Kleve einem Ruinenfeld. Leergeplündert war auch die Schwanenburg: ein Gespensterschloss mit aufgebrochenen Portalen und zerbrochenen Fenstern.
Selbst nach dem westfälischen Frieden im Jahre 1648 zog in den niederrheinischen Ländern noch keine Ruhe ein, da die Religionsklauseln des Friedensvertrages, durch die eine freie Religionsausübung garantiert sein sollte, mehr oder weniger unbeachtet blieben. Insbesondere der Herzog von Pfalz-Neuburg zeigte sich von einer Intoleranz, die viele Protestanten aus den Herzogtümern Jülich und Berg, ja selbst aus der Pfalz zur Abwanderung ins Klevische veranlassten. Es wäre wahrscheinlich zu erneuten kriegerischen Auseinandersetzungen zwischen Brandenburg und Pfalz-Neuburg gekommen, wenn der Kaiser nicht eingegriffen und beiden Fürsten den Verlust ihrer Rechte an den Erbländern angedroht hätte, sofern sie zu den Waffen greifen würden.
Erst nach dem Tode des alten Pfalzgrafen Wolfgang Wilhelm kam es zwischen seinem Sohn Philipp-Wilhelm und Kurfürst Friedrich-Wilhelm nach langen Verhandlungen am 19. September 1666 zu den entscheidenden Teilungsvertrag von Kleve, durch den Brandenburg Kleve, Mark und Ravensberg erhielt, während Jülich, Berg sowie die flämischen Besitzungen Winnendahl und Breskensand dem Pfalzgrafen von Neuburg zuerkannt wurden. Über den Besitz von Ravenstein sollte ein Schiedsgericht entscheiden. Ein weiterer Vertrag im Jahre 1672 regelte schließlich die streitigen Religionsangelegenheiten.
Man schrieb den 1. August 1635. Ein Regiment Kroaten zog von Geldern nach Kleve. Der Weg führte durch Kevelaer. Zwar standen die Kroaten im Dienste des Kaisers, waren also keine Feinde, doch die Einwohner Kevelaers wussten, was sie von solchen Freunden zu erwarten hatten. Sie zogen sich in ihre versteckte Schanze zurück. Als sich plötzlich aus unbekannten Gründen ein Schuss aus dem Versteck löste, waren die fast wehrlosen Menschen entdeckt. Sie konnten dem Angriff der Bewaffneten nicht widerstehen. Mit beispielloser Grausamkeit wurden sämtliche Schanzenbewohner getötet und die Frauen und Mädchen abscheulich misshandelt.
Zur Erinnerung an dieses schreckliche Blutbad wurde an der Kroatenstraße in Kevelaer ein Steinkreuz errichtet mit holländischer Inschrift. Sie lautet in deutscher Sprache:
"Im Jahre 1635, dem Datum nach dem 1. August wurden auf dieser Schanze an die 100 Menschen ermordet. Bittet für ihre Seelen, auf dass Gott ihnen in der Ewigkeit gnädig sein möge."
Albrecht Wenzel Eusebius von Waldstein
*1583 +1634, genannt Wallenstein
Im Dreißigjährigen Krieg kämpfte er auf Seiten des Kaisers und der Katholischen Liga gegen die Protestantische Union. Ab 1625 war er zweimal Oberbefehlshaber. 1634 fiel er in Ungnade und wurde von kaisertreuen Offizieren ermordet.
Die Schenkenschanz wurde 1586 als Festung in der strategisch wichtigen Gabelung von Rhein und Waal von Martin Schenk von Nideggen errichtet und zählte Ende des 16. Jahrhunderts zu den stärksten Festungen Europas. Ausgebaut wurde die Schenkenschanz von einem der berühmtesten Festungsbaumeister dieser Zeit, Adrian Anthonisz, der mit seiner Arbeit im Jahre 1595 fertig wurde. Sie war von großer Bedeutung und wurde als Tor zu den Niederlanden lange als uneinnehmbar angesehen.
Jan Jessen - NRZ vom 14. August 1999
Die Einführung schwerer Artillerie-Geschütze führt im 17. Jahrhundert dazu, dass die Burgen und Befestigungsanlagen aus dem Mittelalter mit ihren hohen und schmalen Türmen immer verwundbarere Ziele werden. Daher beginnen die Militärtechniker mit dem Bau von neuen Befestigungsanlagen, die mit dicken, niedrigen Mauern und keilförmigen Bastionen ausgestattet werden.
Einer dieser modernen Trutzburgen ist die Schenkenschanz. Benannt ist die Feste auf der Insel Grevenward nach ihrem Gründer, dem im Dienst der Niederländer stehenden Martin Schenck von Nideggen. Aufgrund ihrer Lage an der Gabelung des Rheins in Waal und Maas gilt die Festung als Schlüssel zu den Niederlanden.
Zwischen 1611 und 1635 wird die Festung weiter vergrößert. Trotz dieser Maßnahmen fällt sie im Juli 1635 in die Hände eines spanischen Kommandos, das die Feste in einem Handstreich nimmt.
Bis dahin hatte der große Krieg, der seit 1618 durch die Lande tobte, am unternen, linken Niederrhein wenige Spuren hinterlassen. Was sich aber mit der Eroberung der Schenkenschanz durch den spanischen Kommandeur Eyndhouts schlagartig ändern sollte. Mit rund 1500 Musketieren dringt Eyndhouts am 28. Juli 1635 in die Feste ein - die niederländische Besatzung der Schanz hat keine Chance zu Verteidigung.
Als die Niederländer vom Fall der Feste hören, ist die Aufregung groß - sofort bricht ein Heer von rund 6000 Mann auf, um sie zurückzuerobern. Was sich als äußerst schwierig und langwierig herausstellen soll - und als Katastrophe für die einheimische Bevölkerung des Kleverlandes.
Im Laufe des folgenden Jahres werden immer mehr Truppen in der Umgebung der Schanz zusammengezogen. Die Belagerer erbauen rund um die Feste weitere Stützpunkte. Die Soldaten wollen ernährt werden, um jeden Preis. Die Kornkammern von Kleve, Uedem, Kranenburg, Kalkar, Xanten, Emmerich, Goch und weitere Städte werden erbarmungslos geschröpft. Teilweise plündern die Soldaten und vertreiben die Einwohner. In dem Jahr der Belagerung kommt es zu zahlreichen Scharmützeln zwischen spanischen Entlastungstruppen und den staatlichen Truppen der Niederländer, die einen enormen Blutzoll fordern. Unter anderem verliert der Eroberer des Schanz, Kommandeur Eyndhouts, sein Leben.
Im April des Jahres 1636 dann der Sturm auf die Schanz. Nachdem die Festung zunächst mit schwerem Geschützfeuer beschossen worden ist, stürmen 2000 Elite-Soldaten unter dem Kommando von Johann Moritz von Nassaue (der bei den Kämpfen übrigens sein Ohr verliert) die Festung. Die Übergabe-Erklärung wird am 29. April unterzeichnet, einen Tag später verlassen die letzten spanischen Soldaten die Festung.
Am linken Niederrhein herrschen derweil katastrophale Zustände. Die Städte sind entvölkert. Viele Zivilisten werden getötet, so der Emmericher Pastor Otten, der als angeblicher Spion hingerichtet wird. Und auf der einst prunkvollen Großen Straße in Kleve wächst Gras - es ist still geworden in der Schwanenstadt.
Furchtbare Zeiten mit Verwüstungen, Zerstörungen und Vergewaltigungen brachte insbesondere das 17. Jahrhundert auch für die Menschen in Issum. Der Ort, im Schnittpunkt zweier alter Heerstraßen, wurde zum Ziel plündernder Söldner, die auch vor Mord nicht zurückschreckten. In einer alten Schrift aus jener Zeit heißt es: "Die Menschen sind so verlaufen und verstorben, dass man eher einen Wolf gesehen hat als einen Menschen". Und trotzdem - als um 1800 die Franzosen Issum besetzten und wahrlich nicht nur als Freunde erschienen, urteilte ein französischer Ingenieur-Geograph: "Die Einwohner von Issum sind liebenswürdige Menschen."
Jan. 2024 - letzte Bearbeitung: 14.01.2024